Kaum etwas gestaltet sich heiterer,
als ein Ausflug in die 'spirituelle Szene'. Denn dort, wo wir
meinen, den Göttern extraordinär nahe zu sein - menschelt es häufig
ganz besonders...
Mit dem Seelenpartner ist das so eine
Sache. Wobei ich mich, wenn ich von 'Seelenpartner' spreche,
ausschließlich auf meine Dualseele - respektive meine Zwillingsflamme
- respektive meinen ganz persönlichen Seelengefährten beziehe.
Ich weiß im Grunde
also noch nicht ganz genau, worauf ich mich beziehe
- außer dass ich den Einen meine, der ganz allein mir
gehört. Aber meine Bezeichnungslosigkeit wird sich ändern. Und zwar
bald. Nämlich sobald Er - mein wie auch immer – sich
meiner Person entsprechend vorgestellt hat. In diesem Moment werde
ich ja feststellen, welche der vorangestellten Begrifflichkeiten er
benutzt, um sich mir gegenüber zu betiteln.
Ergo: Ich muss
dringendst in Erfahrung bringen, ob ich es an dieser Stelle
mit meiner Dualseele, Zwillingsflamme oder meinem persönlichen
Seelengefährten zu tun habe - und sei es im Sinne meines
spirituellen Begriffsverständnisses, das, so will ich meinen,
unbedingt gleichzusetzen mit dem konkreten Anstieg meines
formidablen persönlichen Bewusstseins ist.
Ob
Er
- derjenige welche - hingegen Klaus, Gregor oder Hanswurst
heißt, soll mich wenig bis gar nicht interessieren.
Aber ein bisschen gut aussehen sollte er schon. Ach ja, und
ein
'Er’ sollte
es
bitte sein. Ich meine, schließlich bin ich eine
Sie. Eine Sie, die
eine Schwäche für Ers hat. Jeglicher Rest
soll mir jedoch mehr oder minder gleichgültig sein. Abgesehen von
bescheidenen Mindestvorgaben möchte ich vollkommen unvoreingenommen
und offen dasjenige empfangen, was das Universum für mich vorgesehen
hat. Also, liebes Universum, gib. Und zwar schnell.
Aber, Moment - ich muss mich belehren
lassen: Mit dem Seelenpartner
sei das in der Tat so eine Sache. Es verhalte sich vielmehr
folgendermaßen: Man hat ihn, oder man hat ihn nicht. Nicht
jeder hat ihn. Nun, dieser Sachverhalt ist in der Tat ein wenig
diffizil und soll gewiss nicht missverständlich sein:
Jeder
hat ihn. Und doch hat ihn nicht jeder. Nicht
jeder hat ihn nämlich bereits kennen gelernt. Und auch nicht jeder
wird ihn kennen lernen. Wohlgemerkt: In diesem
Leben. Dieses glorreiche Schicksal scheint nur manchen beschieden. Die anderen
müssen sich noch gedulden. Irgendwie so in dieser Art.
In spirituellen Kreisen gehört es
mittlerweile jedoch zum guten Ton, seinen Seelenpartner zu
haben, meint, ihn zu kennen. Und zwar in
diesem Leben. Genauer gesagt: Hier und heute. Denn an
diesem Punkt seiner Erfahrung angelangt zu sein, bedeutet, in der
eigenen seelischen Evolution derart vorangeschritten zu sein, dass
ich mich reif genug zeige, ab hier an in den gegenständlichen Genuss
einer irdisch-handfesten Beziehung mit meinem Seelenpartner zu
gelangen. Und vorangeschritten wie reif sein ist immer gut. Vor
allem in spirituellen Kreisen.
Nicht zuletzt deshalb möchte ebenfalls ich meinen
Seelenpartner haben. Heißt, ihn unwiderruflich
kennen. Und zwar in
diesem
Leben. Genaugenommen: Jetzt. Dies allein, um mich anschließend
mit ihm für alle Zeiten
'wiederzuvereinen'.
Dies ohne Zweifel die von mir erstrebte Absicht.
Und ja - ich erhalte Unterstützung. In den letzten Jahren hat eine Fülle
von spiritueller Literatur den (spirituellen) Markt erklommen, die
sich dieses Themas liebevoll an- und mich bei der Hand nimmt. All
dies, um mich darüber aufzuklären, wie ich 'In 37 Tagen zu meinem
Seelenpartner' gelange,
'Wie ich meinen
Seelenpartner finde und ihn erkenne', wie 'Meine Dualseele'
beschaffen ist und wie ich 'Eine erfüllte Partnerschaft mit der
Zwillingsflamme' erziele. Diese ganze Angelegenheit kann folglich
nicht im mindesten so schwer sein, wie häufig vermutet. Und auch
nicht Schicksalskraft. Es scheint demnach allein mein Wille,
der zählt. Dies sehe ich gleichfalls dadurch bestätigt, dass jeder
meiner spirituellen Gefährten und Genossen seinen Seelenpartner
unlängst sein eigen nennt. Sie alle wollten ihn – und
siehe: Sie alle haben ihn. Warum also nicht auch ich?
Also nix wie ran an den Speck.
Nachdem ich mich eine Zeitlang
durch angeführtes theoretisches Studium gekämpft habe, beflissen
angegebenen Empfehlungen folgte, Ritual über Ritual veranstaltete -
ihr seht wie wichtig mir dieses ganze Thema ist - betete, bat und
visualisierte (sehr zum vorübergehenden Unwillen meines
Lebenspartners übrigens, aber dies wollte ich gerne in Kauf nehmen)
- jedoch auch nach Tagen und Wochen immer noch nicht die geringste
Spur meines Seelenpartners auszumachen vermochte, ging ich
schließlich dazu über, Suchanzeigen aufzugeben.
Mein sorgfältig ausgearbeiteter Text
lautete etwa so: "Hans, Otto, Klaus oder Berthold – wie
auch immer Du heißen magst, geliebter Seelenpartner, wo bist Du?
Bitte melde Dich, es wird Zeit, uns wiederzuvereinen...".
Tatsächlich sollte ich auch eine ganze
Reihe Zuschriften erhalten - allerdings ausnahmslos von Männern, die
sich Hans, Otto, Klaus oder Berthold riefen - ich erinnere mich
zudem, einen Hans-Otto dabei gehabt zu haben, der sich ganz
besonders überzeugt davon zeigte, dass er zweifellos mein
Seelenpartner sein müsse. Nun, ja. Keinesfalls zu vergessen die
zahlreichen schlüpfrigen Angebote, die das Wort 'wiedervereinen' wohl irgendwie in den
falschen Hals bekommen hatten.
Nun gut. Fazit blieb, dass sich ebenso
diese Methode nicht einwandfrei zu eignen schien, meinen
wundersamen, zauberhaften - sowie bereits jetzt innig von mir
verehrten Seelenpartner in mein Leben zu rufen. Doch auch hier:
Hilfe war nah.
Meine spirituellen Brüder und
Schwestern waren es schließlich, die mich darauf verwiesen, dass es
weniger darum ginge, meinen Seelenpartner zu
'finden',
als vielmehr darum, ihn zu 'erkennen'.
Mein Seelenpartner konnte sich demnach bereits zu diesem Zeitpunkt
in meiner unmittelbaren Umgebung und in meinem direkten Lebensumfeld
befinden, nur - dass ich ihn bisher schlicht nicht als solchen erkannt
hatte.
Aber natürlich! Wie konnte mir nur
solch ein folgenschwerer Fehler unterlaufen?
Nachfolgend verlegte ich mich also
darauf, meine männlichen Freunde und Bekannten allesamt mit
Argusaugen zu beobachten und sie daraufhin zu überprüfen, ob sie
über beliebige Qualitäten verfügten – spirituelle Charakteristika,
seelische Merkmale, ein dickes Bankkonto - die mir verrieten, dass
es sich bei einem von ihnen jeweils um meinen ganz persönlichen
Seelenpartner handelte. Meinen gegenwärtigen Lebenspartner konnte
ich dank dieses Verfahrens umgehend ausschließen. Nein. Er konnte
beileibe nicht mein Seelenpartner sein. Das würde ich nicht
ertragen. Wohlgemerkt: Die gesamte Ewigkeit!
Nach einer Weile, in der ich meinen
gesamten Freundes- sowie Bekanntenkreis also konsequent abgegrast hatte
und mittlerweile kaum noch männlichen Besuch erhielt, da ich jedes
maskuline Wesen unmittelbar einem detaillierten Testverfahren
unterzog (was meinen Freund dann doch ein wenig strapazierte - die
mangelnde Ansprechbarkeit seiner Freunde während dieses Procedere -
viel weniger das Testverfahren selbst) -
nach besagter Weile musste ich feststellen, dass ich mir eigentlich
überhaupt nicht zutraute, meinen Seelenpartner zu erkennen.
Denn: Eigentlich wusste ich überhaupt nicht, nach welchen äußeren
wie inneren Kriterien ich ihn ermessen sollte. Daran, ob er gut
aussah? Ob er Geld wie Heu hatte? Ob er gut kochen konnte? Oder
daran, ob er den Begriff 'Spiritualität' aus dem Stehgreif
definieren konnte - ohne dabei die Worte 'Alkohol' oder
'hochprozentig' zu benutzen? Keine Ahnung. Nein, hier musste ein Fachmann ans
Werk. In diesem Fall eine Fachfrau. Ich suchte ein weibliches
Medium meines Vertrauens auf.
Da es jedoch keinesfalls gestattet ist, Fragen ála
'Wer ist mein
Seelenpartner' zu stellen (ist doch das Universum der Ansicht, dass
wir hierauf schon selbst kommen müssten - oder so ähnlich - ich habe
das nicht ganz verstanden),
musste ich ein wenig tricksen. Ich stellte also eine Reihe von
konkreten Fragen wie: 'Ist Klaus Müller mein Seelenpartner?', oder
'Ist Gregor Tu-nicht-Gut mein Seelenpartner?',
oder aber
'Wenn es einen Gott gibt - Werner Klein ist doch
hoffentlich nicht mein Seelenpartner?'
– Fragen, die mir vom Universum auch umgehend gewährt, und somit
anstandslos beantwortet wurden.
Nach circa einem halben Jahr hatte ich
jedoch alle Personen, die ich auch nur im Entferntesten als
potentiellen Seelenpartner in Erwägung zog, durch. Ich glaube, es
begab sich überdies zu dieser Zeit, dass besagtes Medium ihren heute
überbordenden Reichtum erwarb. Anyway. In jedem Fall
wusste ich nach dieser konzentrierten Suche nicht mehr wirklich weiter. Nun
gut, ein weiteres halbes Jahr konnte ich nachfolgend damit
überbrücken, dass ich nun ebenfalls die mir am meisten gehassten
Menschen als potentielle Seelenpartner in Betracht zog - und ein
weiteres Jahr, in dem ich schlicht und einfach alle Menschen
abfragte, die ich auch nur irgendwie namentlich zu benennen wusste.
Aber auch unter meinen sorgfältig
gehegt und gepflegten Antipathien sowie unter meinen flüchtigen und
flüchtigsten Bekanntschaften wurde ich nicht fündig.
Nach rund zwei Jahren intensiver
Ausschau nach meinem Seelenpartner also, kam ich demnach nach einer
erneut fruchtlos gebliebenen medialen Sitzung nach Hause, befreite
meine selbstgehäkelte Seelenpartnerpuppe (Überbleibsel
eines Rituals, s.o.), umwickelt mit einem Papierstreifen, auf den
ich alle meine Wünsche bezüglich meines geliebten Gefährten in spe
notiert hatte – ein langer Papierstreifen – und kam zu dem
Entschluss, dass es derart wirklich nicht weitergehen könne. Denn: Zwingen wollte ich wahrlich niemanden.
Geschweige denn meinen
Seelenpartner. Und überhaupt - eigentlich hätte er sich bereits
ebenfalls darum bemühen können, dass wir uns endlich begegneten.
Hatte er keine Lust, mich kennen zu lernen und sich mit mir
wiederzuvereinen? Oder wie durfte ich es bitte verstehen, dass seit
besagter Suchanzeige zwar nach wie vor sowie unermüdlich Klaus,
Otto, Hans und Berthold bei mir anriefen, nie aber Herr
Seelenpartner persönlich? Und überhaupt: Wenn ich mir das so
überlegte - eigentlich konnte er bleiben, wo der Pfeffer wächst. Wer
bin ich denn? Nein, nun sollte es an
ihm
sein, mich zu finden und zu
erkennen. Und wie es aussieht, konnte dies einige Zeit dauern.
Monsieur Seelenpartner schien wohl der Ansicht zu sein, es hiermit
nicht besonders eilig zu haben.
Dennoch hatte ich mich unverändert
jenem Punkt zu widmen, vor meinen spirituellen Brüdern und
Schwestern das Gesicht zu wahren. Schließlich haben sie alle ihren
Seelenpartner, heißt, sie kennen ihn. Und sind darüber
hinaus nahezu ohne Ausnahme mit ihm liiert. Wie also meine Würde
wahren?
Ich habe eine Lösung gefunden, sogar
eine ganz gute, wie ich finde. Ein kleines bisschen tricky...
Ich meine: Wenn es für mich, und zwar
nur für mich, darum geht, meinen Seelenpartner zu
erkennen - aber niemand außer mir - und vielleicht noch ihm - weiß,
wen ich als solchen erkenne, dann ließe sich unter
Umständen behaupten, dass ich ihn erkannt hätte, und niemand wüsste,
dass ich ihn tatsächlich noch nicht erkannt habe.
Klingt kompliziert, ist aber ganz einfach.
Von nun an unterstelle ich
schlichtweg, dass mein jeweiliger Freund mein Seelenpartner wäre, und
niemand hat Argument dagegen. Denn: Schließlich kann ihn außer mir ja
niemand erkennen. Wäre ja noch schöner, ist ja schließlich
mein Seelenpartner. Zumindest theoretisch.
Angenehme Begleiterscheinung dieser
Methode aber ist, dass mir von nun an ebenfalls wieder
Lebensabschnittsgefährten gestattet sind. Kommt mir ganz gelegen,
denn ich scheine an einer latenten Bindungsunfähigkeit zu leiden,
wie meine psychologische Beraterin meine mittelfristige Fixierung auf
meinen Seelenpartner interpretierte. In ihren Augen lediglich Angst,
mich auf gegenwärtige wie gegenständliche Beziehung einzulassen.
Wie auch immer, wenn ich nun im
halbjährlichen Turnus meinen Partner wechsle - meine
Lebensabschnitte folgen einander nunmal sehr rasch - ich schätze,
das spricht einfach für ein
rasantes Entwicklungstempo - dann kann ich einfach beteuern, dass wir
eben festgestellt hätten, dass wir nur Dual- nicht
aber Zwillings-Seelen seien. Man kommt ja auch
wirklich leicht durcheinander bei diesem ganzen Vokabular. Der neue
Partner aber, dieser sei ganz bestimmt meine Zwillingsflamme. Ich
fahre ganz gut mit dieser Methode - und wähne allmählich, dass sie
weitaus verbreiteter ist, als ich einst dachte.
In der Zwischenzeit habe ich mein
Betätigungsfeld nicht unwesentlich erweitert: Ich suche nun nicht
mehr nur nach meinem Seelenpartner - nun gut, eigentlich wollte ich
ja nicht mehr nach ihm suchen, aber das ließ sich von mir nicht
konsequent durchhalten - sondern ich suche nun ebenfalls nach meinen
Seelengeschwistern, meiner Seelenfamilie, meint nach meinen
Dualseelen. Tatsächlich habe ich noch keinen von ihnen gefunden -
dies behaupte ich ja nur, erinnern wir uns - zum Zweck der
Rechtfertigung meiner unzähligen Exfreunde, die ich vorübergehend
als meine Zwillingsflamme deklarierte.
Und glaubt mir oder glaubt mir nicht:
Mittlerweile könnte ich mir sogar eine Beziehung mit einer meiner
Dualseelen vorstellen. Es muss ja nicht gleich meine Zwillingsflamme
sein. Gewiss, ich bin im Laufe der Zeit
etwas bescheidener geworden. Diese Suche zermürbt einen aber auch
wirklich.
Wenn es aber endlich so weit ist und
ich entsprechende Partnerschaft mit einer meiner Dualseelen führe,
fangen wir klein an –
dann werden wir uns lieben und ehren, einander achten und vertrauen,
bis ans Ende unserer Tage. Zu beachten sei lediglich, das sich 'das
Ende unserer Tage' hierbei keinesfalls auf das Ableben des ein oder
anderen bezieht, derlei wie einen 'Tod', die große Illusion des
Irdischen, gibt es tatsächlich ja gar nicht – wir spirituell
Bewanderten, wir wissen das schließlich. Tatsächlich bezeichnet 'das
Ende unserer Tage' hierbei die endlich erfolgte Begegnung
mit meiner Zwillingsflamme – meine Dualseele muss hiernach
selbstverständlich weichen.
Wenn es aber wie gesagt so weit ist,
und ich eine Partnerschaft mit einer meiner Dualseelen führe, dann werden wir einander lieben und ehren, uns die
gegenseitige Treue geloben und unsere Partnerschaft nach Gottes
Gebot und Verheißung führen – in guten wie in noch besseren Tagen.
Heiraten? Nein, heiraten will ich
nicht. Niemals. Mir würde es im Traum nicht einfallen, derart
Unverständiges zu tun. Wenn ich die irdisch-symbiotischen Paare in
meinem Umfeld betrachte, und dies mit dem spirituellen Credo
abgleiche, welches uns dazu aufruft, ganz und gar in uns selbst vollständig
zu werden, kann ich nur feststellen: Die haben wirklich überhaupt
nichts begriffen. Ergo: Ich konzentriere mich lieber darauf, ganz
und gar in mir vollständig zu werden. Spirituell verständig. Wie ich
nun einmal bin.
Ich meine - aus diesem Grund ja auch
meine Suche.
Welche Suche? Na, die nach meinem
Seelenpartner!
Denn, hey: Ganz und gar vollständig macht
mich im spirituellen Begriffsverständnis unserer Gegenwart wer? Ganz genau.
Mein Seelenpartner. Respektive meine Dualseele. Respektive meine
Zwillingsflamme. Ihr wisst schon, wen ich meine...
Also, liebes Universum: Her mit dem Typen. Sonst kann ich
nicht vollständig sein. Ist doch voll logisch, oder?
aus der Reihe: (Wider)Sinne | ©
2oo5, Saskia Katharina Krost